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News

  • 10.10.
    2019

    Auftaktveranstaltung von flumen am 10.10.2019

    Projektauftakt: Fossile Mentalitäten am Ende?

    Ein Gespräch über Externalisierung, biobasiertes Wirtschaften und Einstellungswandel mit Daniela Gottschlich, Stephan Lessenich und Dennis Eversberg

    Am Donnerstag, den 10. Oktober, veranstaltete die Nachwuchsgruppe „flumen“ ihren Projektauftakt mit einem Gespräch über Externalisierung, biobasiertes Wirtschaften und darauf bezogene Mentalitätswandel. Diskutiert wurden diese Themen von Dennis Eversberg, Leiter der Forschungsgruppe „flumen“, sowie den beiden Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats des Forschungsprojektes Stephan Lessenich und Daniela Gottschlich.

    Grundlegend für die Diskussion war die These, dass das aktuelle Gesellschaftsmodell nicht mehr zukunftsfähig ist, da es seine eigenen Grundlagen – allen voran Natur sowie fossile Ressourcen – zerstört. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie eine postfossile Gesellschaft aussehen könnte und sollte. Eine entscheidende Rolle für einen solchen Wandel wies Dennis Eversberg in seinem Eingangsstatement den Mentalitäten der Menschen zu, die in den vergangenen 250 Jahren stark von fossiler Ressourcen wie Kohle und Öl geprägt wurden. Doch Mentalitäten befinden sich – wie der Name des Forschungsprojektes „Mentalitäten im Fluss“ schon erahnen lässt, stets im Wandel, weil sie von spezifischen historischen und sozialen Gegebenheiten abhängig sind. Da sich mit dem Aufkommen von Kohle und später Erdöl die Mentalität der Menschen bezüglich ihrer Weltreichweite, ihres Mobilitätsradius‘ und ihrer Arbeits- und Demokratieverhältnisse grundlegend verändert hat, erfordert nun die Abkehr von fossilen Brennstoffen einen nicht minder großen Mentalitätswandel. Wie aber kann eine postfossile Moderne aussehen? Wie können und werden sich Mentalitäten in einer postfossilen Gesellschaft verändern? Und welche (mentalen) Widerstände gibt es gegen diesen Wandel?

    Stephan Lessenich, Professor für politische Soziologie sozialer Ungleichheit an der LMU München, postulierte zunächst, dass das aktuelle Gesellschafts- und Wirtschaftssystem noch voll und ganz im Zeichen des Fossilismus stehe – ein Umbruch zu einer postfossilen Gesellschaft wäre deshalb ein radikaler „Umbruch um’s Ganze“. Dieser sei laut Lessenich nicht ohne gesellschaftliche Widerstände und erbitterte Verteilungskämpfe um knapper werdende Ressourcen denkbar. Lessenich warf in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob eine postfossile Gesellschaft nicht auch immer postliberal sein müsse, da sie zentrale liberale Werten wie Autonomie, Freiheit, Souveränität und Demokratie nicht erhalten könne. Denn diese modernen Werte seien historisch gekoppelt an fossile Energieträger, schließlich sei die Idee der souveränen Lebensführung erst vom Fossilismus und der damit verbundenen wachstumsorientierten Wirtschaftsform ermöglicht worden. Unsere Gesellschaftsform und ihre Werte hängen deshalb laut Lessenich stets „am Tropf der fossilen Energieträger“.

    Eine optimistischere Zukunftsperspektive wurde von Daniela Gottschlich vertreten, die als inter- und transdisziplinär arbeitende Nachhaltigkeitswissenschaftlerin an der Universität Flensburg forscht. Wichtig für eine Transformation sei ein ausgeprägter Möglichkeitssinn der Menschen, also das Nachdenken über „das Mögliche im Wirklichen“ und über gesellschaftliche Utopien. Zudem müsse die Transformationsforschung auch die Emotionen der Menschen in den Blick nehmen, da Gefühle wie Wut – etwa über die politische Untätigkeit beim Klimawandel – oder Trauer und Angst vor drohenden Naturkatastrophen wichtige Treiber eines Wandels sein können. Diese Emotionen bringen zur Zeit Tausende Menschen etwa mit Fridays for Future auf die Straßen und sind Motor kollektiven Handelns. Deshalb benötige laut Gottschlich eine erfolgreiche gesellschaftliche Transformation nicht nur technologische Innovationen, sondern auch gesellschaftliche Utopien.

    Dennis Eversberg schloss daraus, dass die Aufgabe der Nachwuchsgruppe „flumen“ einerseits darin besteht, auf das Ausmaß der bevorstehenden Transformation zu analysieren und andererseits den Möglichkeitssinn dafür zu erweitern, wie der gesellschaftliche Wandel konkret aussehen könnte. Ob diese Transformation eine gewalttätige oder ein friedliche sein wird und ob sie nur auf Kosten zivilisatorischer Errungenschaften der Moderne realisiert werden kann, blieb an diesem Abend ein strittiger Punkt. Einig waren sich die Diskutant*innen allerdings darin, dass die wissenschaftspolitische Aufgabe von Projekten wie „flumen“ darin besteht, positives Transformationspotenzial zu unterstützen und die Gesellschaft zu kritischem Denken anzuregen.

    Die Besucher*innen der Veranstaltung wurden somit zwar einerseits mit vielen offenen Fragen entlassen, doch andererseits weckte die Debatte auch Neugierde auf die Ergebnisse der Nachwuchsgruppe „flumen“ – auch wenn man sich dafür vorerst noch gedulden muss.